♫♪ Keep calm and rock on.

Samstag, 29. August 2015

Krankenhausgeschichten II - Monatsrückblick Teil 3

Ich bin sehr enttäuscht von Bochum. Ich hatte mich darauf verlassen, am Hauptbahnhof einigermaßen Empfang und mobiles Internet zu haben, um den Post zu veröffentlichen oder zumindest speichern zu können. Bin mal gespannt, wann ich's schaffe.

Ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung, wann ich dazu komme, den Post hier hochzuladen. Gerade ist es 8 Uhr morgens, ich sitze seit anderthalb Stunden in einem EC 9 nach Freiburg und ich habe zwar mobiles Internet, aber ihr könnt euch bestimmt selbst denken, wie zuverlässig das auf einer Zugfahrt ist. Aber wie auch immer, da ich zwar todmüde bin, aber auch noch 4 Koffeintabletten dabei habe und hier sowieso nicht schlafen kann, habe ich beschlossen, dass so eine sechsstündige Zugfahrt eigentlich perfekt ist, um den (vermutlich) letzten Teil meines Praktikumsberichts zu schreiben. Dazu ist die Deutsche Bahn nämlich trotz allem wirklich gut geeignet – in Zügen konnte ich schon immer am besten schreiben. Also ohne viel mehr zu labern, geht’s jetzt einfach weiter.


Herr D

Herr D wurde etwa anderthalb Wochen nach meinem Praktikumsstart auf unsere Station verlegt. Bei der Übergabe erfuhr ich, dass er wegen akuten Nierenversagens, was auf dem Übergangszettel als NIV abgekürzt war, hier war, und außerdem, dass er mal Methadon bekommen hatte, welches nun ziemlich abrupt abgesetzt worden war. Später erfuhr ich dann auch, dass so ein Opiatentzug, der im Allgemeinen ziemlich fies ist, bei Dialysepatienten nicht ganz so heftig verläuft, und tatsächlich kann das sen. Ich fand Herrn D am ersten Tag ja noch etwas entzugig, aber das legte sich ziemlich schnell.

Was eigentlich mehr auffiel, war die Apathie. Klar, wenn man 3 Wochen auf der Intensivstation verbracht hat und so geschwächt ist, dass man sich nicht mal allein aufrichten kann, dann kann von einem nicht wirklich viel Eigeninitiative erwartet werden. Ich denke ja sowieso, dass man – zumindest, wenn man wirklich ans Bett gefesselt ist – höchstens eine Krankheit gegen eine andere tauscht, wenn man längere Zeit im Krankenhaus ist. Ich mein, den ganzen Tag über nur in diesem Zimmer liegen und nichts tun können außer Fernsehen, da muss man ja irgendwann kirre werden. Oder auch irre.

Wie auch immer, ich hatte mir zu dieser Zeit irgendwie angewöhnt, bei Patienten wie Herrn D, die so still waren und kaum sagten, was sie wollten und brauchten, etwas fürsorglicher zu sein. Man könnte es auch einen verkorksten Beschützerinstinkt nennen. Da ziemlich eindeutig war, dass der arme Kerl auch emotional ziemlich fertig sein musste, fragte ich eben etwas häufiger nach, wie es ihm ging und ob ich ihm noch etwas bringen oder etwas für ihn tun konnte. Vielleicht auch, weil ich ja später mit Drogenabhängigen arbeiten will – wobei ich zur Zeit mehr zu ehrenamtlicher Tätigkeit tendiere als dazu, Therapeutin zu werden, weil … ganz ehrlich, ich wär ne Scheißtherapeutin und ich weiß auch nicht, ob ich es so richtig mögen würde. Vor allem war es aber auch mal toll, Fortschritte zu sehen, während es anderen Patienten immer schlechter ging. Fortschritte hat er nämlich gemacht.

Ich bin ja seinem Zimmernachbarn unglaublich dankbar. Der war einfach ein richtig netter und fürsorglicher Mensch, der auch um seinen Nachbarn besorgt war. Der zweite war da schon etwas weniger freundlich. „Da hab ich echt kein Mitleid, es ist seine eigene Entscheidung gewesen“ – ich weiß nicht, ob er das nur zu mir oder auch zu Herrn D gesagt hat, aber gezeigt hat er es sicher. Ich hab ja nun nichts gegen den Mann, er hat schon seine Gründe für seine Einstellung, aber ich kann dem einfach so gar nicht zustimmen.
Aber wie auch immer, Herr D machte also Fortschritte. Irgendwann legte sich die Apathie und er begann, sich mit seinem ersten Zimmernachbarn und mit mir zu unterhalten. Irgendwann legte sie sich auch noch mehr und er wurde in den Augen einiger Angestellter auch etwas zu frech, weil er von mir zum Rauchen heruntergefahren werden wollte. Mit Hilfe war es inzwischen möglich, ihn in einen Transportstuhl zu setzen und wenn ich mal ein Bisschen Zeit und nicht zu viel um die Ohren hatte, fuhr ich gern herunter. In solchen Fällen kann man ja auch wirklich nichts gegen das Rauchen sagen – zumindest im Krankenhaus überwiegen die positiven Effekte ja fast, wenn es die Patienten etwas mobilisiert und sie mal aus dem Zimmer rauskommen. Und seien wir ehrlich, die wenigsten gehen einfach nur raus, um spazieren zu gehen. Spazieren gehen ist so etwas, was Hausärzte und Apothekenzeitschriften immer empfehlen, und letztendlich tut’s doch keiner ohne Ziel. (Und die Krankenhausumgebung ist echt keinen Spaziergang wert). Das mit der Frechheit fand ich nun auch nicht so schlimm. Immerhin meckerte Herr D niemanden an, wenn irgendwas mal nicht ging, sondern akzeptierte das einfach.

Jedenfalls, Fortschritte. Eines Tages kam ich also ins Zimmer, um Herrn D zum Rauchen herunterzufahren, und er wollte mir ziemlich aufgeregt unbedingt etwas zeigen – nämlich dass er inzwischen dank Dialyse und Physiotherapie allein aufstehen und sich in den Stuhl setzen konnte. Was schon ziemlich gut ist für so kaputte Nieren. In der Zwischenzeit hing eine durchmetastasierte Patientin ziemlich an ihrem Dipidolor (Schmerzmittel, ein Opiat mit einer analgetischen Potenz* von 0,7) und ein weiterer Patient, mit dem ich mich gut verstand (der Nachbar von Herrn A) war in die Palliativpflege entlassen worden. Eine Patientin, die in einem Zustand war, den man im Allgemeinen als „menschliches Gemüse“ bezeichnet, war in ein Pflegeheim entlassen worden, ein weiterer PKMS-Patient, der völlig klar im Kopf war, aber unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen, war regelmäßig frustriert, weil er sich unbedingt verständigen wollte, aber das fast nur mit Lauten tun konnte. Ich konzentriere mich auf die Fortschritte. Mir sagte ein Kollege nämlich, dass er zwischendurch Zweifel daran gehabt hatte, ob Herr D wirklich auf die Beine kommen will – die hatte ich um ehrlich zu sein nie, vor allem nicht, als er mir unbedingt zeigen wollte, was für Fortschritte er gemacht hat. Als er an meinem vorletzten Tag entlassen wurde, hatte auch keiner wirklich Zweifel daran.

Ganz ehrlich? Ich mag den Kerl nicht nur, weil ich Mitleid hatte und mein Schaden, der sich als Hirn tarnt, auf Drogen und Drogengeschichten aller Art reagiert. Der war auch einfach unglaublich sympathisch. Den mochten auch viele Patienten, die er unten beim Rauchen getroffen hatte, und ein Transportpfleger, der sich am Tag seiner Entlassung – meinem vorletzten Tag – unglaublich darüber freute, dass er inzwischen rollstuhlmobil war. Und den lästigen DK** losgeworden war. Der Abschied fiel dann auch ganz freundlich aus. Und ich mag solche Geschichten einfach. Da hatte ich einen Tag davor noch erfahren, dass eine andere Patientin, mit der ich mich gut verstand, in der letzten Nacht verstorben war, und fand am selben Tag eine weitere (bei der es aber alle erwartet hatten) tot – frisch verstorben – in ihrem Bett auf, irgendwie wollte ich mich da auch selbst ablenken und auf die positiveren Geschichten konzentrieren.


Im Zug riecht’s grad außerdem nach faulen Eiern. Das irritiert mich. Ich hab außerdem 40 Minuten gebraucht, um Herrn Ds Geschichte aufzuschreiben, und jetzt kommen noch mehr (vielleicht teil ich das doch noch weiter auf). Ich nehme mir Zeit für euch, Menschen, und schreibe trotz aller Widrigkeiten, wie dem Gestank fauler Eier, weiter. Ich erwarte, dass das jemand zu schätzen weiß. :P
Äh, ja, ich glaub, ich mach dann auch mal weiter.


Frau E

Eine weitere Patientin, mit der ich mich anfreundete, war Frau E. Ich weiß gar nicht so genau, was Frau Es Diagnose war, um ehrlich zu sein. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie gerade ein künstliches Hüftgelenk bekommen und unglaubliche Schmerzen hatte, vor allem am ersten Tag, als das noch keiner wusste und ihre Schmerzmedikation noch nicht eingestellt war. Ja … ich glaub, da hätte ich auch Schmerzen. Da hätte jeder Schmerzen. Irgendwer meinte, sie sei ein Bisschen rastlos und durcheinander, aber so habe ich sie eigentlich nicht empfunden. Ja, sie hatte eine psychische Erkrankung, aber das macht einen ja nicht komplett unzurechnungsfähig. Stundenlang stehen und rumgehen, weil sitzen zu schmerzhaft ist und man sich wegen der Schmerzen nicht ohne Hilfe hinlegen kann, das kann einen schon eher unzurechnungsfähig machen. Haben wir dann aber hingekriegt. Ich unterhielt mich oft mit Frau E und ihrer Nachbarin, mit welcher ich mich auch gut verstand. Ja … die beiden meinten, ich wäre ein Glücksgriff, aber ich glaube nicht, dass ich netter bin als andere Pfleger bzw Praktikanten, ich mochte die beiden einfach.

Auf eine Sache bin ich aber ganz stolz. Einmal, an meinem letzten Tag, klingelte Frau E nämlich, und als ich ins Zimmer kam, sah ich, dass sie sich in einer ziemlich unangenehmen Situation befand, in der sie sich sowohl schämte als auch mehr oder weniger an einen Fleck gebunden war, da sie nicht nur kaum gehen konnte, sondern auch an einer Infusion hing, die an einem Infusionsständer aufgehängt war, welcher am Kopfende neben dem Bett stand. Deren Schlauch sich außerdem ziemlich verheddert und über ein Kante gespannt hatte. Also kümmerte ich mich um Frau E, sagte einem Kollegen, der gerade zum Messen herumging, Bescheid, dass sie noch etwas Zeit brauchte, und ja, da kann ich tatsächlich sagen, dass ich ganz stolz darauf bin, dass ich nicht komplett überfordert reagiert, sondern mich einfach um alles gekümmert hat. Frau E war da sicher auch erleichtert drüber. Sie war auch traurig, dass ich gehe, und ich versprach ihr, sie am nächsten Tag noch einmal zu besuchen. Es war mein letzter Tag, aber ich musste noch einmal ins Krankenhaus, um mir bei der Pflegedienstleitung eine Bescheinigung unterschreiben zu lassen. Da hatte ich auch einem weiteren Patienten (mit dem ich wohl irgendwie ein kleines Bisschen geflirtet hab … aber erst nach Dienstschluss! Weil professionell und so :P) sowieso versprochen, dass ich noch einmal bei der Station vorbeischauen und ihn besuchen würde, und bei ihr wollte ich dann auch nochmal vorbeischauen (und außerdem hatte der Lockenkopf am nächsten Tag Dien

Ja … Frau E merkte auch, dass es mir auch ein Bisschen um den Lockenkopf ging. Ich besuchte sie natürlich gern und wir plauderten ein Bisschen … nachdem ich schon ein Bisschen viel mit dem anderen Patienten geplaudert hatte. Ehrlich, ich war über eine Stunde lang in diesem Krankenhaus, weil ich mich nicht trennen konnte. Irgendwann fiel mir dann auf, dass das wohl ein Bisschen komisch rüberkam, im Krankenhaus rumzuhängen, und ich meinte dann zu ihr, dass ich mich wohl leider bald auf den Weg machen sollte.
„Sie wollen den Lockenkopf nochmal sprechen, oder?“
Ja. Das kennt ihr ja schon. :P Frau E meinte auch noch, ich solle keine Dummheiten machen, aber das hatte ich eh nicht vor. Besagter Lockenkopf hat ja irgendwie ganz eigentlich eine Freundin, mit der er zusammenwohnt. Dieses kleine Detail hab ich wohl vergessen zu erwähnen. Ist ja vernachlässigbar, ne? :P



Und ich glaube, das wars dann erstmal von meinen Krankenhausgeschichten. Zumindest aus dem krankenhaus. Ich bin ja nun immer noch unterwegs zum nächsten Praktikum, nachdem ich die Unterkunft gestern organisiert hab (nach einer kurzen Panikattacke, einem längeren Streit, einer Reservierung im Hostel, die ich dann doch nicht gebraucht habe, und dem Plan, einfach trotzdem hinzufahren und „Irgendwas findet sich schon“). Mal schauen, was es aus Freiburg zu erzählen gibt. Aber erstmal verabschiede ich mich. Mein Tablet hat vorhin schon so getan, als gäbe es die Hälfte seines Bildschirms nicht, und ich will das Ding nicht überstrapazieren, wenn es schon gerade auf’m Lia-hassen-Trip ist wie mein Handy (das mich einfach leiden sehen will, auch wenn es das niemals zugeben würde). Und bis dahin schau ich mal, wie ich die reslichen 4 Stunden überbrücke und wie ich es schaffe, das Babygeschrei auszublenden (Ich liebe Kinder, aber es ist immer noch eine 7-stündige Zugfahrt …). Fight Club und Musik sollten hoffentlich reichen. ^^

Sonntag, 23. August 2015

Krankenhausgeschichten I - Monatsrückblick Teil 2

Bevor ich zum Praktikum komme, first things first - denn das habe ich letzten ... nein, vorletzten Monat (T__T) komplett vergessen.
ASDFGHJKJH Festival unso. Das Hurricane, wisst ihr noch? Das war übrigens toll. Gut, ich war beim Placebo-Konzert betrunken (etwas zu betrunken), aber es war trotzdem toll. Die einzige Möglichkeit dieses Jahr, sie live zu sehen und ich war auch noch im First Cage und ganz nah dran. *_*
Am nächsten Tag war dann ... ne Menge Deutschrap angesagt. Witziger Deutschrap. Und bitte, Alligatoah muss man sehen. Am liebsten war mir aber die letzte halbe Stunde vom Marteria-Konzert, als alle KIZ-Gänger rübergegangen sind und somit mehr oder weniger das gesamte Festival vor dieser Bühne versammelt war. Da herrschte echt den ganzen Tag über tolle Stimmung. Nur geiziger sind die Veranstalter scheinbar geworden, aber das überrascht nun wirklich niemanden mehr.
Und das war's auch schon mit der sehr kurzen Kurzfassung vom Festival. Eigentlich hätte ich mehr zu erzählen gehabt. Eigentlich hätte ich auch früher davon erzählen können/sollen. Aber naja. So müssen eben zwei Absätze und zwei Spotify-Links ausreichen.

(Damit verbinde ich irgendwie immer noch ein Bisschen "Meeeeh, das Konzert ist vorbei T_T", weil letzer Song)


(Auch der letzte Song. Ich muss ja sagen, Alligatoah hab ich kaum gehört, dafür hat das Publikum zu laut mitgegrölt. XD)


So, und nun geht's weiter. Nach dem Vergnügen die Arbeit, oder so. Wobei ich ja schon sagte, dass ich das Praktikum eigentlich echt toll fand. Harte Arbeit war es schon, aber es hat auch verdammt Spaß gemacht. Und ich habe eine Menge Menschen kennengelernt, die mir noch lange in Erinnerung bleiben werden (also jetzt nicht nur der Lockenkopf, ne? Ich wollte mit der Formulierung nur tiefsinnig klingen und so ...). Okay, also wie auch immer, ich werde also von den Patienten und vielleicht dem Lockenkopf erzählen. Um ihre Identität zu schützen sie einfach nach dem Alphabet benennen - also Herr A, Frau B, etc - und auch nicht den ersten Buchstaben des Nachnamens oder ähnliches nehmen. Mir ist bewusst, dass ich damit übervorsichtig bin, weil kein Schwein meinen Blog kennt und niemand, der diese Menschen kennt oder auf der Station arbeitet, das hier lesen wird, aber ich bin lieber übervorsichtig, als der Öffentlichkeit zu viel zu verraten, und deshalb behalte ich - ganz der Schweigepflichtserklärung entsprechend, die ich unterschreiben musste - sowohl den Namen des Hauses als auch persönliche Details und Daten der Patienten für mich.


Herr A

Ich muss ja zugeben, ich wusste eine Weile lang nicht, ob ich Herrn A mögen soll oder nicht. Herr A war der erste Patient, mit dem ich arbeiten musste, zwangsläufig, da er geklingelt hat und alle außer mir gerade beschäftigt waren. Herr A ist ein Pflegefall, bettlägerig aufgrund einer ausgeprägten Muskelatrophie, aber geistig noch komplett anwesend und ein sehr kluger und gebildeter Mann. Und meine Güte, der Herr wusste, was er will. Und wenn ich das mal nicht wusste, oder nicht so gemacht habe, wie er es will, dann hat er das auch sehr deutlich gemacht. Ein Bisschen nervös gemacht hat er mich ja schon, aber letztendlich muss ich ihm doch dankbar sein. Gerade in den ersten Tagen, wo ich noch komplett unerfahren war und mich auch ziemlich ungeschickt angestellt habe, habe ich bei ihm am meisten gelernt. Und am Ende hat er mir genau die Rückmeldung gegeben und meinte, dass ich noch eine gute Ärztin werde, wenn ich so weitermache wie bisher. Bei seiner Entlassung war er dann gut drauf und der Abschied fiel ganz freundlich aus.


Herr B

Auch Herr B war einer der ersten Patienten, denen ich begegnet bin. Meine Güte, ich bewundere diesen Mann! Bald 90, aber ich hätte ihn für 30 Jahre jünger gehalten. Er ist nicht nur körperlich noch unglaublich fit (außer wenn er gerade Chemo kriegt, aber jeder der Chemo kriegt, ist abgeschlagen), sondern auch geistig jung und offen geblieben. Mit Herrn B habe ich mich oft unterhalten und er war in gewisser Weise das Gegenteil von Herrn A. Nicht nur war er kaum auf Pflege angewiesen, sondern er hat sich auch kein einziges Mal beschwert, wenn er mal irgendetwas nicht sofort bekommen hat. In gewisser Weise war das der Ausgleich zur doch anstrengenden und manchmal nervenaufreibenden Arbeit bei Herrn A. Bei Herrn B habe ich die meiste Zeit eigentlich nur damit verbracht, mich zu unterhalten, angefangen mit der Pflegeanamnese, bei der ich ihn einfach alles habe erzählen lassen, was er erzählen wollte - und er ist eine ziemliche Plaudertasche - weil ich mir dachte, wenn ich schon die Möglichkeit und Zeit dazu habe, warum nicht auch mal einen Patientn reden lassen. Und dann haben wir uns irgendwann ganz oft unterhalten. Übrigens ist Herr B für die Gleichstellung der Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. So viel zum Klischee des mürrischen alten Mannes. Ich glaube, wenn ich jemals so alt werden sollte, will ich so positiv, offen und lebensfroh sein wie Herr B. 


Frau C

Frau C war eine der Patientinnen, bei der die Kommunikation ein Bisschen schwieriger ausfiel. Auf den ersten Blick könnte man schnell denken, sie wäre dement und eigentlich nicht mehr da. Aufgrund eines Schlaganfalls, bei welchem vermutlich das Broca-Areal (das für die Produktion von Sprache zuständig ist, nicht jedoch für das Verständnis), kann sie nur noch wenige Worte sprechen. Übrigens habe ich ihr das irgendwann auch erklärt, wie das funktioniert. Ich weiß nicht, wie dement die Frau wirklich ist, aber bei mir war sie immer voll da und hat alles selber machen wollen, was sie trotz Hemiparese selber machen konnte. Und einen Sinn für Humor hat sie auch. Die Frau ist echt intelligent, und unglaublich lieb und niedlich. Ernsthaft, ich habe versucht, möglichst viel von dem, was bei ihr gemacht werden muss, zu machen, einfach nur, weil ich so gern bei ihr war. Und sie hat mir auch gezeigt, dass man sich bei manchen Menschen wirklich die Zeit nehmen muss, um sich mit ihnen auseinanderzusetzen, und sie nicht einfach als dement und geistig nicht mehr da abstempeln sollte. Es mag so wirken, aber es ist nicht immer so. Und irgendwie ist es doch eine Sache des Respekts, dann mit ihnen und nicht über sie zu sprechen, und sich zumindest um so viel Kommunikation zu bemühen, wie sie eben möglich ist. 

Und ich sehe schon, das Praktikum nimmt mehr Posts ein, als anfangs geplant. Aber dieser Beitrag ist schon lang genug und der nächste Patient, von dem ich erzählen will, würde schon die Länge der letzten drei zusammen einnehmen, und dann gibt es noch mehr und ... ihr könnt euch schon denken, warum ich das lieber splitte, statt euch einen ganzen Roman in einem Post zuzumuten. Ich hoffe nun, dass das auch irgendwen interessiert, aber ganz ehrlich? Selbst wenn nicht, werde ich's trotzdem schreiben. Weil ich die Geschichten auch aufschreibe, um sie für mich irgendwo aufgeschrieben zu haben. Das heißt, wer sich so gar nicht dafür interessiert, der kann den nächsten Post gern überspringen und muss sich dann leider ein Bisschen gedulden. Allerdings bin ich sehr wohl offen für Vorschläge und Wünsche, worüber ich als nächstes schreiben soll - Kreatives, Anekdoten aus dem Leben, Meinungen ... sagt mir einfach, was ihr gern lesen wollt, und ich werde versuchen, etwas dazu zu schreiben. Der Blog hier ist sowieso für alles da, und ich schreibe alles gleich gern, also kann ich auch Wünsche annehmen (oder es zumindest versuchen, garantieren kann ich trotzdem wie immer nichts). :)

Donnerstag, 20. August 2015

Praktikumsblues - oder auch Monatsrückblick Teil 1

Ich schäme mich ein Bisschen, weil ich den Blog hier so lange so sehr vernachlässigt hab. Irgendwie ist's ein Teufelskreis: je weniger ich hier aktiv bin, desto weniger habe ich Lust darauf, etwas zu schreiben und desto weniger habe ich das Gefühl, dass es sich lohnt, über etwas zu bloggen, oder dass es noch jemanden gibt, der es lesen würde.
Aber den Teufelskreis möchte ich jetzt durchbrechen, denn ich habe was zu erzählen. Eine Menge sogar. Die letzten 30 Tage habe ich nämlich, wie ich vermutlich schon oft erwähnt habe, ein Krankenpflegepraktikum gemacht. Insgesamt 3 Monate braucht man laut Approbationsordnung, und es muss mindestens ein Monat am Stück sein, damit das Praktikum vom Landesprüfungsamt für Heilberufe anerkannt wird. Den ersten Monat habe ich nun gestern beendet, auf einer onkologischen und inneren Station. Die Hälfte der Betten gehört dort der Gastroenterologie, die andere Hälfte der Onkologie (was übrigens der perfekte Einstieg für Emetophobiker wie mich ist. XD Aber ich hatte Glück und musste nur einmal jemanden reihern sehen).

Vielleicht erinnert der eine oder andere sich noch daran, wie ich in einigen Posts zumindest angedeutet habe, wie schlimm das werden wird und wie wenig Lust ich darauf habe. Dass man als Praktikant wie Dreck behandelt wird und es nur anstrengend ist und ich mir eh nicht zutraue, die Arbeit gut zu machen. All das will ich hiermit zurücknehmen. Harte Arbeit ist Krankenpflege zwar, aber ... scheiße, ich hab fast geheult, als es vorbei war. Ich hab mich kaum von der Station, den Patienten und meinen Ex-Kollegen trennen können. Und deshalb heißt der Post hier auch Praktikumsblues - nicht etwa, weil die Arbeit mich mich so mitnimmt (auch wenn sie das schon getan hat und das einer der Gründe war, warum ich's einfach nicht hingekriegt hab, zusätzlich auch noch zu bloggen), sondern weil ich die Arbeit trotzdem vermissen werde. Und weil ich da eine Menge erlebt und gelernt habe, will ich darüber nun ein Bisschen berichten. Oder auch viel. Wer nicht alles lesen will, dem mach ich keinen Vorwurf. Ehrlich nicht. Aber der Blog hier ist nun einmal ein Bisschen wie eine Tagebuch und ich will davon erzählen. Natürlich werde ich keine Namen nennen und nicht mal den ersten Buchstaben des Nachnamen der Patienten nehmen, sondern sie einfach dem Alphabet folgend Herr A, Frau B, etc nennen. Weil Privatsphäre, Schweigepflicht, etc. Versteht ihr bestimmt. ;)

Wenn ich ganz ehrlich bin, hätte ich mir selbst eigentlich nicht zugetraut, irgendwas in dem Praktikum richtig hinzukriegen. Ich weiß auch nicht, inwiefern mir das Freunde und Familie zugetraut haben. Ich meine, zum einen geht der Frühdienst von 6-14 Uhr, und ich habe praktisch nur Frühdienste gehabt. Das Aufstehen um halb 5 ging, aber wohl auch nur, weil mein Gehirn (eindeutig das Hirn eines Nachtmenschen) die Uhrzeit noch als Nacht angesehen hat. Aber für einen Morgenmuffel wie mich ist das schon eine Herausforderung.
Und zum anderen habe ich mir einfach nicht zugetraut, in irgendeiner Form kompetent und freundlich zu wirken und mir keine Feinde unter Patienten und Pflegern zu machen. Wer mich kennt, weiß, dass ich noch ein paar Komplexe habe, was meine soziale Kompetenz angeht, und mir in der Hinsicht sehr wenig zutraue. Aber wie ich erfahren habe, ist es schwer, sich auf der Onkologie Feinde zu machen. Da muss man schon sehr viel falsch machen, und so ungeschickt bin nicht mal ich.
Vielleicht ist es aber auch nur ein Gerücht, dass man als Pflegepraktikant wie Dreck behandelt wird, wenn man sich nicht wie ein kompletter Vollarsch aufführt und halbwegs versucht, auch mal mitzuhelfen und nicht nur danebensteht und guckt wie ein Auto. Stressig ist es so oder so, weil nun einmal alle Stationen unterbesetzt sind, und als Praktikant wird man zwar nicht bezahlt, aber ist praktisch eine Vollzeitkraft und wird ähnlich eingeteilt wie Azubis. Es müssen natürlich immer examinierte Pflegekräfte da sein, aber das heißt nicht, dass man als Schüler oder Praktikant nichts tun muss. Und wenn man als Praktikant mal eine weniger angenehme Aufgabe erledigen muss, dann hat das auch nichts damit zu tun, dass die Drecksarbeit an einen abgeschoben wird oder Ähnliches, sondern daran, dass es gemacht werden muss. Ein netter kleiner Nebeneffekt dabei ist, dass man dabei eine Menge lernt, weil man's einfach machen muss. Konfuzius hatte schon recht - Lass es mich tun ich werde es begreifen.

Und abgesehen vom Lerneffekt hat es auch einfach irgendwie ... Spaß gemacht. Klar, es war viel Arbeit und ermüdend, und ich war auch so manches Mal frustriert über mich selbst, wenn ich irgendwas vergessen oder nicht richtig hinbekommen habe oder das Gefühl hatte, mit meiner Ahnungslosigkeit eher ein Klotz am Bein als eine Hilfe zu sein. Aber insgesamt war der Kontakt mit den Patienten (und einigen Kollegen) so ziemlich das Beste am Praktikum, und deshalb werde ich im nächsten Post auch noch eine Menge über die Leute erzählen, mit denen ich gearbeitet hab. Und tatsächlich habe ich auch von einigen die Rückmeldung bekommen, dass ich hilfsbereit bin und eine freundliche Ausstrahlung hab und ... scheiße. Das ist so ziemlich das letzte, was ich erwartet hätte. *_*
Zum Klischee geworden bin ich übrigens auch ... oder nein, das stimmt nicht ganz. Ich war vorher schon ein Klischee, glaube ich. Ein Klischee, das in letzter Zeit ein Bisschen viel flirtet. Nie ernsthaft, weil ich gerade gar nichts ernstes will, aber dafür oft. ^^' Ich ... denke folgende zwei Gespräche, die ich mit zwei Patientinnen unabhängig voneinander geführt habe, werden deutlich machen, was ich meine.

Ich: Ich werd's hier echt vermissen. Es gibt so viele Patienten von denen ich gern wüsste wie's weitergeht, und Kollegen mit denen ich gern noch nen Dienst gehabt hätte.
Patientin: Der mit den Locken, oder?

Und heute dann Folgendes, nachdem ich nur kurz bei der Pflegedirektion war und dann nochmal vorbeigeschaut hab weil ich's ein paar Patienten versprochen hatte:

Ich, nachdem ich mich eine Weile mit einer Patientin unterhalten hatte: Okay, ich denke, ich mach mich mal auf die Socken, bevor's komisch wirkt wie lang ich hier rumhäng (weil, äh, ich ne halbe ewigkeit mit einem anderen Patienten geplaudert und Nummern ausgetauscht hab ... Klischee und so)
Patientin (eine andere, wohlgemerkt): Sie wollen den Lockenkopf nochmal sprechen, oder?

Ja. Ja, in der Tat. Äh, ups? ^^' Ich hoffe jetzt einfach mal, dass besagter Lockenkopf das hier nicht liest, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er meinen Blog nicht kennt, und mein Internetpseudonym sowieso nicht (ja, ich heiße im RL tatsächlich nicht Lia Roger), also bin ich wohl auf der sicheren Seite. Neben dem Lockenkopf sind da außerdem auch noch ein Patient (den ich vorhin schon erwähnt hatte) und eine Praktikantin bei der Transportpflege. Wobei ich die wohl nicht mehr wiederseh. Äh, ups? ^^' Habe ich schon erwähnt, dass ich ein Klischee bin? Wenn nicht, dann sage ich es nochmal, weil ich das gar nicht oft genug sagen kann: Ich bin ein Klischee. Tja. Und ich will gar nicht wissen, was sich die anderen Pfleger und Schwestern gedacht haben, wenn schon zwei Patienten was gemerkt haben. ^^''

Naja. Wie auch immer. Jetzt hab ich erstmal genug gelabert, der Post hier ist schon lang genug und ich will immerhin noch einen schreiben, in dem ich ein paar Geschichten übers Praktikum erzähl. Also verabschiede ich mich jetzt erstmal, weil der Supermarkt mit einer TK-Pizza auf mich wartet (mein Geschirrspüler ist kaputt, ich werde definitiv NICHT kochen), und dann meine Wohnung, die mal wieder aussieht wie Sau. Und dann vielleicht endlich mal wieder was Kreatives, ein Musikcover (Ich bin gerade dabei Loud like Love einzuüben) oder endlich mal wieder ein Bisschen schreiben. Mal schauen. Also war's das erstmal, aber mit etwas Glück komme ich heute Abend oder morgen wieder zum Bloggen. Und ich hoffe wirklich, dass es noch jemanden interessiert und ich in der langen Blogpause nicht sämtliche Leser verloren hab und nur noch Selbstgespräche führ ^^' XD