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Mittwoch, 20. Januar 2016

"Telencephalon!"

Punkt 1 der Tagesordnung - da ich das im letzten Post vergessen hatte zu erwähnen: Mimimimimimi, David Bowie. David Bowie soll nicht tot sein. Das ist scheiße.














Das bin ich. Nur nicht so süß.
So. Das musste raus. Sein Tod hat mich tatsächlich traurig gemacht, was mich selbst überrascht hat - da ich ihn zwar wirklich bewundert und seine Musik sehr gerne gemocht hab, bin ich normalerweise nicht wirklich traurig, wenn jemand stirbt, den ich persönlich gar nicht gekannt hab. Trotzdem hat's mich traurig gemacht, weshalb ich das Internet auch mit ein Bisschen Mimimi zuspammen musste. Am Freitag bin ich übrigens bei meiner Mutter und wir stoßen auf ihn an. Mit Scotch. Es ist ein Whiskyabend, also wird er wohl so ablaufen wie jedes Mal wenn ich bei meiner Mutter bein. :P

Punkt 2: Ich höre When the levee breaks in Dauerschleife. Ja, ich hab gestern The long short geguckt (der ist übrigens super, kann ich nur empfehlen). Merkt man gar nicht, wa? Ja, ich hab gute Laune. Ich hab das letzte Anatomie-Testat durch und bestanden und bin zwar dauermüde wie immer, aber ich freu mich auf die weiteren Inhalte dieses Moduls.

Punkt 3: Das eigentliche Thema. Ich dachte mir, ich plauder mal wieder ein Bisschen aus dem Nähkästchen. Das Anatomie-Seminar gestern war einfach zu genial, um es nicht als Blogeintrag schriftlich festzuhalten, und die perfekte Gelegenheit, um das Scrapbook mal wieder etwas aufleben zu lassen.

Ich sage dazu lieber gleich, dass Kommentare wie "Wissen Sie was, das ist das blöde Hirn, wir gehen ein Hirn weiter" beim Wort genommen können. Ich studiere Medizin, es ist Anatomie und wir haben grad das von mir lang ersehnte Neuro-Modul. Und wieder einmal bestätigt sich mein Eindruck, dass die Neurologen einfach super sind. Ehrlich jetzt, es mögen Klischees sein, aber bisher war ich von allen Neurologen die ich getroffen hab begeistert. Und vielleicht, ganz vielleicht bin ich schon fast so schrullig wie unsere Dozenten. Immerhin sagte ich gestern schon zu einer Freundin von mir (die derzeit weniger begeistert von ihrem Studienfach ist und alles, was im Präpsaal stattfindet, verabscheut): "Es sind herausgenommene Hirne. Was will man mehr?" An dieser Stelle muss ich gleich vorwarnen, dass es auch recht ... graphisch weitergeht. Wer das nicht lesen mag, möge an dieser Stelle bitte zu einem anderen Blog wechseln, denn der gesamte Eintrag handelt nun einmal von einem herausgenommenen menschlichen Gehirn.

Da saßen wir später also um einen Tisch herum und unser Dozent, welcher in einen knallgrünen Kittel gekleidet war und eine leuchtend grün-gelbe Beanie-Mütze auf dem Kopf trug, hielt das (übrigens erstaunlich kleine) Denkorgan in der Hand und meinte "Das hier ist die größte protoplastische Masse des Körpers, die zur Entelechie fähig ist." Dann hielt er das Hirn einer Kommilitonin, die neben mir saß, vors Gesicht und meinte: "Telencephalon!" Er hatte recht, was man bei einem Hirn, das mitsamt seiner Hirnhäute herausgenommen wurde, sieht, ist vor allem das Telencephalon - das Endhirn, das vor allem aus der Hirnrinde besteht. Der Name rührt daher, dass das zentrale Nervensystem (also Hirn und Rückenmark) sich aus einem langen Rohr entwickelt hat, das sich oben verdickt und ein Bisschen gefaltet und um sich selbst gewickelt hat. Das stark ausgeprägte Endhirn, dem wir unter Anderem unsere Intelligenz verdanken, ist aus dem obersten Abschnitt, praktisch dem oberen Ende entstanden. Entfernt man die Hirnhäute - zwischen denen sich übrigens Liquor (Hirnwasser befindet) und drückt die einzelnen Stücke sowie "Spaghetti" - Äste der Hirnarterien - willkürlich Studenten in die Hand, die gerade so aussehen, als würden sie nicht richtig aufpassen, hat man einen fantastischen Blick auf die Gyrierung des Endhirns - die tiefen Furchen, die man vom menschlichen Hirn kennt.

Ich muss ja sagen, ein Bisschen privilegiert hab ich mich schon gefühlt, als das gute Stück herumgereicht wurde. Das war schon das zweite Mal, dass ich ein menschliches Gehirn in seiner Gesamtheit in den Händen halten konnte - und wer kann schon von sich behaupten, das überhaupt nur einmal getan zu haben? Die meisten Strukturen sind für den Chirurgen gar nicht zugänglich udn in Ruhe anschauen kann man sie sowieso nicht, wenn man gerade an einem Hirn operiert.
An den Gehirnen präparieren wir kaum selbst, das macht vor allem der Dozent. Vorher sollten wir natürlich wie gesagt alle einmal ausführlich das ganze Gehirn betrachten, und nur nicht an der Hypophyse schütteln und ziehen; warum, das zeigte er uns, indem er das Hirn hin und her schüttelt. Wenn man ein Hirn, an dem die Hypophyse noch dranhängt, schüttelt, dann wackelt die hin und her, wie eine kleine Glocke. Die Hypophyse hängt auch immer noch dran wie ein zweites Paar ... okay, nein, das sage ich jetzt nicht, das ist zu tief. Wer neugierig ist, die Hypophyse sieht >>so<< aus und gliedert sich in zwei wichtige Abschnitte, aber das ist jetzt nebensächlich. Sie sieht aber tatsächlich so aus, wie unsere Dozenten sie immer gezeichnet haben. Abgesehen von der Hypophyse konnten wir uns aber alles in Ruhe anschauen. "Fassen Sie nur alles an, ich mag es wenn alles betatscht wird", meinte der Dozent. "Tun Sie nicht so jungfräulich, kommen Sie zum Befummeln her."

Weiterhin kann man am Hirn neben dem Telencephalon auch noch das Cerebellum (Kleinhirn) und den Truncus cerebri (Hirnstamm) - zusammengesetzt aus Mesencephalon (Mittelhirn), Pons (Brücke) und Medulla oblongata (äh ... verlängertes Mark. Gibt's da nen deutschen Namen für?) beobachten. (Wer neugierig auf die verschiedenen Strukturen am Gehirn ist, dem kann ich übrigens einen Crashkurs von >>Pinky und Brain<< nur empfehlen - wobei ich die >>Originalversion auf Englisch<< noch lieber mag.) 
Was natürlich auch sofort ins Auge springt, ist die Zweiteilung des Gehirns in eine linke und recht Hemisphere. Verbunden sind die über das sogenannte Corpus callosum und die Fissura longitudinalis cerebri - die Längsfurche zwischen den beiden Hirnhälften ist einer der wenigen Zugänge zu tiefer liegenden Hirnstrukturen, die Neurochirurgen haben.
"Das sieht jetzt ein Bisschen obszön aus, was ich hier mache", meinte unser Dozent, während er die beiden Hälften etwas auseinanderzog, um uns das Corpus callosum zu zeigen. "Aber schauen Sie es sich genau an." Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, wir hatten >>diesen<< bzw >>diesen<< Blick auf das Gehirn; von occipital (was nur Medizinscherschlau für "hinten" ist, zumindest hinten am Kopf), und haben in eine Ritze geschaut. Man kann manche Dinge nicht ignorieren. Man kann es einfach nicht.

Nun mögen manche schon das große Schaudern bekommen und sich entsetzt fragen, ob die Studierenden und Lehrenden das Studium und das Opfer, das die Körperspender gebracht haben, damit wir besser lernen können, wirklich ernst nehmen. Aber persönlich muss ich sagen, ich finde das eigentlich genial. Klar, es sind und bleiben platte Genitalienwitze. Aber mal ehrlich, habt ihr mal gesehen, was es alles am Hirn zu lernen gibt? Das ist viel ... wirklich viel. Und dazu kommen auch noch Physiologie, Psychiatrie, Psychosomatik ... unsere Anatomiedozentin ist zwar wirklich super und verlangt nicht von uns, jeden einzelnen Ramus, Processus und was es sonst noch so gibt auswendig zu lernen wenn sie strukturell nicht allzu bedeutend sind, aber es ist und bleibt trotzdem viel. Und ein Bisschen Humor in den Unterricht einzubringen, ist meiner Meinung nach das beste, was man machen kann. Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich habe mir aus dem Seminar eine Menge gemerkt und denke mal, ich bin nicht die einzige, auf die das zutrifft. Das nächste hab ich um 8:30, einer Zeit die nicht existieren sollte - und freue mich total darauf.
Natürlich könnte das aber auch am Thema liegen, das ich einfach liebe, wer weiß ... Ich mag Hirne nun mal. Man mag halt immer das am liebsten, was man selbst nicht hat. :P

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