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Samstag, 29. August 2015

Krankenhausgeschichten II - Monatsrückblick Teil 3

Ich bin sehr enttäuscht von Bochum. Ich hatte mich darauf verlassen, am Hauptbahnhof einigermaßen Empfang und mobiles Internet zu haben, um den Post zu veröffentlichen oder zumindest speichern zu können. Bin mal gespannt, wann ich's schaffe.

Ich habe um ehrlich zu sein keine Ahnung, wann ich dazu komme, den Post hier hochzuladen. Gerade ist es 8 Uhr morgens, ich sitze seit anderthalb Stunden in einem EC 9 nach Freiburg und ich habe zwar mobiles Internet, aber ihr könnt euch bestimmt selbst denken, wie zuverlässig das auf einer Zugfahrt ist. Aber wie auch immer, da ich zwar todmüde bin, aber auch noch 4 Koffeintabletten dabei habe und hier sowieso nicht schlafen kann, habe ich beschlossen, dass so eine sechsstündige Zugfahrt eigentlich perfekt ist, um den (vermutlich) letzten Teil meines Praktikumsberichts zu schreiben. Dazu ist die Deutsche Bahn nämlich trotz allem wirklich gut geeignet – in Zügen konnte ich schon immer am besten schreiben. Also ohne viel mehr zu labern, geht’s jetzt einfach weiter.


Herr D

Herr D wurde etwa anderthalb Wochen nach meinem Praktikumsstart auf unsere Station verlegt. Bei der Übergabe erfuhr ich, dass er wegen akuten Nierenversagens, was auf dem Übergangszettel als NIV abgekürzt war, hier war, und außerdem, dass er mal Methadon bekommen hatte, welches nun ziemlich abrupt abgesetzt worden war. Später erfuhr ich dann auch, dass so ein Opiatentzug, der im Allgemeinen ziemlich fies ist, bei Dialysepatienten nicht ganz so heftig verläuft, und tatsächlich kann das sen. Ich fand Herrn D am ersten Tag ja noch etwas entzugig, aber das legte sich ziemlich schnell.

Was eigentlich mehr auffiel, war die Apathie. Klar, wenn man 3 Wochen auf der Intensivstation verbracht hat und so geschwächt ist, dass man sich nicht mal allein aufrichten kann, dann kann von einem nicht wirklich viel Eigeninitiative erwartet werden. Ich denke ja sowieso, dass man – zumindest, wenn man wirklich ans Bett gefesselt ist – höchstens eine Krankheit gegen eine andere tauscht, wenn man längere Zeit im Krankenhaus ist. Ich mein, den ganzen Tag über nur in diesem Zimmer liegen und nichts tun können außer Fernsehen, da muss man ja irgendwann kirre werden. Oder auch irre.

Wie auch immer, ich hatte mir zu dieser Zeit irgendwie angewöhnt, bei Patienten wie Herrn D, die so still waren und kaum sagten, was sie wollten und brauchten, etwas fürsorglicher zu sein. Man könnte es auch einen verkorksten Beschützerinstinkt nennen. Da ziemlich eindeutig war, dass der arme Kerl auch emotional ziemlich fertig sein musste, fragte ich eben etwas häufiger nach, wie es ihm ging und ob ich ihm noch etwas bringen oder etwas für ihn tun konnte. Vielleicht auch, weil ich ja später mit Drogenabhängigen arbeiten will – wobei ich zur Zeit mehr zu ehrenamtlicher Tätigkeit tendiere als dazu, Therapeutin zu werden, weil … ganz ehrlich, ich wär ne Scheißtherapeutin und ich weiß auch nicht, ob ich es so richtig mögen würde. Vor allem war es aber auch mal toll, Fortschritte zu sehen, während es anderen Patienten immer schlechter ging. Fortschritte hat er nämlich gemacht.

Ich bin ja seinem Zimmernachbarn unglaublich dankbar. Der war einfach ein richtig netter und fürsorglicher Mensch, der auch um seinen Nachbarn besorgt war. Der zweite war da schon etwas weniger freundlich. „Da hab ich echt kein Mitleid, es ist seine eigene Entscheidung gewesen“ – ich weiß nicht, ob er das nur zu mir oder auch zu Herrn D gesagt hat, aber gezeigt hat er es sicher. Ich hab ja nun nichts gegen den Mann, er hat schon seine Gründe für seine Einstellung, aber ich kann dem einfach so gar nicht zustimmen.
Aber wie auch immer, Herr D machte also Fortschritte. Irgendwann legte sich die Apathie und er begann, sich mit seinem ersten Zimmernachbarn und mit mir zu unterhalten. Irgendwann legte sie sich auch noch mehr und er wurde in den Augen einiger Angestellter auch etwas zu frech, weil er von mir zum Rauchen heruntergefahren werden wollte. Mit Hilfe war es inzwischen möglich, ihn in einen Transportstuhl zu setzen und wenn ich mal ein Bisschen Zeit und nicht zu viel um die Ohren hatte, fuhr ich gern herunter. In solchen Fällen kann man ja auch wirklich nichts gegen das Rauchen sagen – zumindest im Krankenhaus überwiegen die positiven Effekte ja fast, wenn es die Patienten etwas mobilisiert und sie mal aus dem Zimmer rauskommen. Und seien wir ehrlich, die wenigsten gehen einfach nur raus, um spazieren zu gehen. Spazieren gehen ist so etwas, was Hausärzte und Apothekenzeitschriften immer empfehlen, und letztendlich tut’s doch keiner ohne Ziel. (Und die Krankenhausumgebung ist echt keinen Spaziergang wert). Das mit der Frechheit fand ich nun auch nicht so schlimm. Immerhin meckerte Herr D niemanden an, wenn irgendwas mal nicht ging, sondern akzeptierte das einfach.

Jedenfalls, Fortschritte. Eines Tages kam ich also ins Zimmer, um Herrn D zum Rauchen herunterzufahren, und er wollte mir ziemlich aufgeregt unbedingt etwas zeigen – nämlich dass er inzwischen dank Dialyse und Physiotherapie allein aufstehen und sich in den Stuhl setzen konnte. Was schon ziemlich gut ist für so kaputte Nieren. In der Zwischenzeit hing eine durchmetastasierte Patientin ziemlich an ihrem Dipidolor (Schmerzmittel, ein Opiat mit einer analgetischen Potenz* von 0,7) und ein weiterer Patient, mit dem ich mich gut verstand (der Nachbar von Herrn A) war in die Palliativpflege entlassen worden. Eine Patientin, die in einem Zustand war, den man im Allgemeinen als „menschliches Gemüse“ bezeichnet, war in ein Pflegeheim entlassen worden, ein weiterer PKMS-Patient, der völlig klar im Kopf war, aber unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen, war regelmäßig frustriert, weil er sich unbedingt verständigen wollte, aber das fast nur mit Lauten tun konnte. Ich konzentriere mich auf die Fortschritte. Mir sagte ein Kollege nämlich, dass er zwischendurch Zweifel daran gehabt hatte, ob Herr D wirklich auf die Beine kommen will – die hatte ich um ehrlich zu sein nie, vor allem nicht, als er mir unbedingt zeigen wollte, was für Fortschritte er gemacht hat. Als er an meinem vorletzten Tag entlassen wurde, hatte auch keiner wirklich Zweifel daran.

Ganz ehrlich? Ich mag den Kerl nicht nur, weil ich Mitleid hatte und mein Schaden, der sich als Hirn tarnt, auf Drogen und Drogengeschichten aller Art reagiert. Der war auch einfach unglaublich sympathisch. Den mochten auch viele Patienten, die er unten beim Rauchen getroffen hatte, und ein Transportpfleger, der sich am Tag seiner Entlassung – meinem vorletzten Tag – unglaublich darüber freute, dass er inzwischen rollstuhlmobil war. Und den lästigen DK** losgeworden war. Der Abschied fiel dann auch ganz freundlich aus. Und ich mag solche Geschichten einfach. Da hatte ich einen Tag davor noch erfahren, dass eine andere Patientin, mit der ich mich gut verstand, in der letzten Nacht verstorben war, und fand am selben Tag eine weitere (bei der es aber alle erwartet hatten) tot – frisch verstorben – in ihrem Bett auf, irgendwie wollte ich mich da auch selbst ablenken und auf die positiveren Geschichten konzentrieren.


Im Zug riecht’s grad außerdem nach faulen Eiern. Das irritiert mich. Ich hab außerdem 40 Minuten gebraucht, um Herrn Ds Geschichte aufzuschreiben, und jetzt kommen noch mehr (vielleicht teil ich das doch noch weiter auf). Ich nehme mir Zeit für euch, Menschen, und schreibe trotz aller Widrigkeiten, wie dem Gestank fauler Eier, weiter. Ich erwarte, dass das jemand zu schätzen weiß. :P
Äh, ja, ich glaub, ich mach dann auch mal weiter.


Frau E

Eine weitere Patientin, mit der ich mich anfreundete, war Frau E. Ich weiß gar nicht so genau, was Frau Es Diagnose war, um ehrlich zu sein. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass sie gerade ein künstliches Hüftgelenk bekommen und unglaubliche Schmerzen hatte, vor allem am ersten Tag, als das noch keiner wusste und ihre Schmerzmedikation noch nicht eingestellt war. Ja … ich glaub, da hätte ich auch Schmerzen. Da hätte jeder Schmerzen. Irgendwer meinte, sie sei ein Bisschen rastlos und durcheinander, aber so habe ich sie eigentlich nicht empfunden. Ja, sie hatte eine psychische Erkrankung, aber das macht einen ja nicht komplett unzurechnungsfähig. Stundenlang stehen und rumgehen, weil sitzen zu schmerzhaft ist und man sich wegen der Schmerzen nicht ohne Hilfe hinlegen kann, das kann einen schon eher unzurechnungsfähig machen. Haben wir dann aber hingekriegt. Ich unterhielt mich oft mit Frau E und ihrer Nachbarin, mit welcher ich mich auch gut verstand. Ja … die beiden meinten, ich wäre ein Glücksgriff, aber ich glaube nicht, dass ich netter bin als andere Pfleger bzw Praktikanten, ich mochte die beiden einfach.

Auf eine Sache bin ich aber ganz stolz. Einmal, an meinem letzten Tag, klingelte Frau E nämlich, und als ich ins Zimmer kam, sah ich, dass sie sich in einer ziemlich unangenehmen Situation befand, in der sie sich sowohl schämte als auch mehr oder weniger an einen Fleck gebunden war, da sie nicht nur kaum gehen konnte, sondern auch an einer Infusion hing, die an einem Infusionsständer aufgehängt war, welcher am Kopfende neben dem Bett stand. Deren Schlauch sich außerdem ziemlich verheddert und über ein Kante gespannt hatte. Also kümmerte ich mich um Frau E, sagte einem Kollegen, der gerade zum Messen herumging, Bescheid, dass sie noch etwas Zeit brauchte, und ja, da kann ich tatsächlich sagen, dass ich ganz stolz darauf bin, dass ich nicht komplett überfordert reagiert, sondern mich einfach um alles gekümmert hat. Frau E war da sicher auch erleichtert drüber. Sie war auch traurig, dass ich gehe, und ich versprach ihr, sie am nächsten Tag noch einmal zu besuchen. Es war mein letzter Tag, aber ich musste noch einmal ins Krankenhaus, um mir bei der Pflegedienstleitung eine Bescheinigung unterschreiben zu lassen. Da hatte ich auch einem weiteren Patienten (mit dem ich wohl irgendwie ein kleines Bisschen geflirtet hab … aber erst nach Dienstschluss! Weil professionell und so :P) sowieso versprochen, dass ich noch einmal bei der Station vorbeischauen und ihn besuchen würde, und bei ihr wollte ich dann auch nochmal vorbeischauen (und außerdem hatte der Lockenkopf am nächsten Tag Dien

Ja … Frau E merkte auch, dass es mir auch ein Bisschen um den Lockenkopf ging. Ich besuchte sie natürlich gern und wir plauderten ein Bisschen … nachdem ich schon ein Bisschen viel mit dem anderen Patienten geplaudert hatte. Ehrlich, ich war über eine Stunde lang in diesem Krankenhaus, weil ich mich nicht trennen konnte. Irgendwann fiel mir dann auf, dass das wohl ein Bisschen komisch rüberkam, im Krankenhaus rumzuhängen, und ich meinte dann zu ihr, dass ich mich wohl leider bald auf den Weg machen sollte.
„Sie wollen den Lockenkopf nochmal sprechen, oder?“
Ja. Das kennt ihr ja schon. :P Frau E meinte auch noch, ich solle keine Dummheiten machen, aber das hatte ich eh nicht vor. Besagter Lockenkopf hat ja irgendwie ganz eigentlich eine Freundin, mit der er zusammenwohnt. Dieses kleine Detail hab ich wohl vergessen zu erwähnen. Ist ja vernachlässigbar, ne? :P



Und ich glaube, das wars dann erstmal von meinen Krankenhausgeschichten. Zumindest aus dem krankenhaus. Ich bin ja nun immer noch unterwegs zum nächsten Praktikum, nachdem ich die Unterkunft gestern organisiert hab (nach einer kurzen Panikattacke, einem längeren Streit, einer Reservierung im Hostel, die ich dann doch nicht gebraucht habe, und dem Plan, einfach trotzdem hinzufahren und „Irgendwas findet sich schon“). Mal schauen, was es aus Freiburg zu erzählen gibt. Aber erstmal verabschiede ich mich. Mein Tablet hat vorhin schon so getan, als gäbe es die Hälfte seines Bildschirms nicht, und ich will das Ding nicht überstrapazieren, wenn es schon gerade auf’m Lia-hassen-Trip ist wie mein Handy (das mich einfach leiden sehen will, auch wenn es das niemals zugeben würde). Und bis dahin schau ich mal, wie ich die reslichen 4 Stunden überbrücke und wie ich es schaffe, das Babygeschrei auszublenden (Ich liebe Kinder, aber es ist immer noch eine 7-stündige Zugfahrt …). Fight Club und Musik sollten hoffentlich reichen. ^^

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